Christian Zeller
Ausstieg aus der fossilen Ökonomie und der Aufrüstung, Solidarität mit dem ukrainischen Widerstand
Wir leben in einer Zeit abrupter Wendungen.[1] Die Erderhitzung beschleunigt sich. Das Klima verändert sich schneller, als bislang gedacht. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine bezweckt die weitgehend territoriale Eroberung eines Nachbarstaates, die Zerstörung seiner Armee und den Sturz seiner Regierung.[2] Das ist in dieser Form eine Qualität, die es seit 1945 nicht mehr in Europa gegeben hat. Bereits vor diesem Angriff traten die NATO-Staaten, Russland und China einen Rüstungswettlauf los. Die Widersprüche zwischen den verschiedenen Imperialismen haben sich enorm verschärft.[3] Die bereits vor dem Krieg in der Ukraine vorbereitete und losgetretene Aufrüstungswelle ist Ausdruck der sich verschärfenden Rivalität um den Zugang zu knappen Ressourcen, die im Zusammenhang mit der Energiewende so dringend gebraucht werden. Die Erderhitzung, dieser Krieg und die Gefahr kommender Kriege sind miteinander verbunden und in einem gemeinsamen Kontext zu verstehen.
Erderhitzung beschleunigt sich
Blicken wir zuerst auf die Dynamik der Erderhitzung. Der Weltklimarat IPCC publizierte am 28. Februar den zweiten Teil seines 6. Sachstandsberichts.[4] In diesem Bericht warnt der IPCC noch deutlicher als je zuvor vor der gefährlichen Dynamik. Das Klima verändert sich rasch. Die Konsequenzen sind bereits spürbar und werden in wenigen Jahren und Jahrzehnten das Leben eines Großteils der Menschheit beeinträchtigen. Die Uhr läuft.
Kein Ort ist ausgenommen, und es gibt keine bewohnte Region, die nicht von steigenden Temperaturen und zunehmenden Wetterextremen betroffen ist.
- Etwa die Hälfte der Weltbevölkerung – zwischen 3,3 und 3,6 Milliarden Menschen – lebt in Gebieten, die durch den Klimawandel „stark gefährdet“ sind.
- Millionen von Menschen sind aufgrund des Klimawandels von Nahrungsmittel- und Wasserknappheit bedroht, selbst bei der derzeitigen Erwärmung.
- Ein Massensterben von Arten, von Bäumen bis zu Korallen, ist bereits im Gange. Diese Veränderungen der Ökosysteme gefährden die Nahrungsmittelproduktion für die Menschen.
- 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau stellen einen „kritischen Wert“ dar, bei dessen Überschreitung sich die Auswirkungen der Klimakrise stark beschleunigen und teilweise unumkehrbar werden.
- Küstengebiete auf der ganzen Welt und kleine niedrig gelegene Inseln sind bei einem Temperaturanstieg von mehr als 1,5 Grad von Überschwemmung bedroht.
- Wichtige Ökosysteme verlieren ihre Fähigkeit, Kohlendioxid zu absorbieren, wodurch sie von Kohlenstoffsenken zu Kohlenstoffquellen werden, wie der Amazonas, der mittlerweile zum Nettoemittent geworden ist.
- Einige Länder haben sich darauf geeinigt, 30 Prozent der Landfläche der Erde zu erhalten, aber es könnte sein, dass die Hälfte der Fläche erhalten werden muss, um die Fähigkeit der natürlichen Ökosysteme wiederherzustellen und mit den Schäden fertig zu werden, die ihnen zugefügt wurden.
Die COP26 in Glasgow beschloss keine wirksamen Maßnahmen gegen die Erderhitzung. Im Gegenteil, die Konferenz ist zu einer Institution verkommen, die den imperialistischen Großmächten als Plattform dient, ihre wirtschaftspolitischen und geoökonomischen Strategien aufeinanderprallen zu lassen und ihre Einflusssphären auszuhandeln. Angesichts der zunehmenden Dynamik breitet sich so etwas wie eine „Rette-sich-wer-kann“-Logik aus. Die Regierungen widersetzen sich seit Jahrzehnten wirksamen Maßnahmen gegen die Erderhitzung. Der Zwang des Kapitals, sich zu vermehren und Profite zu generieren, scheint schwerer zu wiegen als die Gesetze der Natur. Das wird schon in wenigen Jahren dazu führen, dass viele Millionen Menschen ihre Lebensgrundlage aufgrund klimatischer Veränderungen und gesellschaftlicher Verwerfungen verlieren werden.
Russischer Angriffskrieg gegen die Ukraine schiebt Klimaschutz in den Hintergrund
Nun nehmen Regierungen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zum Vorwand, auf die ohnehin ungenügenden Klimaschutzmaßnahmen weitgehend zu verzichten. Kohl, Gas und Öl stehen wieder im Kurs und die Börsenwerte der Unternehmen in diesem Sektor steigen.
Die Rüstungsindustrie und die Armeen zählen zu den stärksten Treibhausgasemittenten. Anstatt diese Rüstungsindustrie in einen sinnvollen Produktionszweig [5] umzubauen, erhält sie nun riesige neue Aufträge. In Deutschland beerdigt die sozialdemokratisch-grün-liberale Regierung gerade den Klimaschutz und startet ein Aufrüstungsprogramm, wie wir es seit dem Ende des Zweiten Weltkrieg nicht erlebten haben. Abermals treibt eine sozialdemokratische und grüne Regierung die Aufrüstung voran und setzt eine ausgesprochen kapitalfreundliche Politik durch. Zur Erinnerung: die rot-grüne Schröder-Fischer-Regierung von 1998 bis 2005 verschaffte dem Finanzkapital neue Privilegien wie keine andere Regierung vor und nach ihr. Sie führte Deutschland 1999, als der Kosovo-Krieg eskalierte, erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg mit den Luftangriffen gegen Serbien und der Stationierung von Truppen in Mazedonien in einen Krieg.
Die EU und die USA haben harte Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschlossen. Das Öl- und Gasgeschäft ist davon bislang nicht betroffen. Das ist auch unter den Regierungsparteien in Europa umstritten. Die Widersprüchlichkeit der EU-Politik lässt sich an diesen aktuellen Zahlen ersehen. Die EU-Länder verminderten zwar 2021 die Abhängigkeit von russischem Erdgas. Aber noch immer beträgt der Anteil des Erdgases aus Russland um die 28 Prozent. Bemerkenswert ist jedoch, dass die täglichen Beträge, die die EU an Russland für Gaslieferungen überweist, seit Kriegsbeginn massiv angestiegen sind und zwar von um die 200 Millionen Euro auf kurzzeitig bis 660 Millionen. Die Gaspreise werden weitgehend auf der Basis der Durchschnittspreise des Vormonats ermittelt. Werden die Preise auf dem gegenwärtigen Niveau bleiben, wird Gazprom die entsprechenden Beträge Anfang April einkassieren. Quantitativ noch viel wichtiger sind die Geschäfte mit russischem Öl. Russland ist nach den USA und Saudi-Arabien der drittgrößte Erdölproduzent der Welt und sogar führender Exporteur raffinierter Ölprodukte. Zwar brachen die Ausfuhrerlöse aus fossilen Brennstoffen im Krisenjahr 2020 auf 142 Milliarden US-Dollar von 220 Milliarden im Vorjahr ein. Und die Erdölexporte sanken von 121 auf 72,5 Milliarden Dollar. Allerdings erholte sich das Geschäft 2021 merklich und Russland konnte vom massiven Preisanstieg profitieren. Russlands größter Ölmarkt ist Europa.[6] Die Einnahmen durch Steuern und Exportabgaben aus dem Öl- und Gasgeschäft trugen immerhin 45 Prozent des russischen Staatsbudgets im Januar 2022.[7] Es gibt nicht die geringsten Anzeichen dafür, dass die europäischen Länder diese zentrale Finanzierungsquelle für die russische Kriegsmaschinerie trockenlegen wollen. In ihrer ganzen Rivalität mit dem russischen Kapital sind sie doch mit diesem auch verbunden.
Damit konterkariert die EU ihre eigenen Wirtschaftskriegssanktionen gegen Russland. Entscheidend bei diesen Sanktionen ist die Einfrierung eines Teils der russischen Devisenreserven (geschätzt 640 Milliarden Dollar) durch die westlichen Länder. Russland hat aber auch einen Goldschatz (145 Milliarden Dollar) im Land und Devisenreserven in Renminbi (90 Milliarden Dollar). Doch mit der Überweisung des Öl- und Gasgeldes, das mit den höheren Preisen noch steigt, kann Russland die anderen Sanktionen teilweise abschwächen.
Die Sanktionswaffe richtet sich weniger gegen die russische Oligarchie und schon gar nicht gegen den fossilen Kapitalismus, sie soll vielmehr die wirtschaftliche und industrielle Basis des Landes schwächen. Dadurch und unmittelbar durch die Entwertung des Rubels werden die Lohnabhängigen die Hauptlast dieser Sanktionen tragen. Sanktionen gegen die herrschende Oligarchie, vor allem die Öl- und Gas-Oligarchen müssten viel zielgerichteter sein. Sanktionen gegen die Oligarchie und die fossile Ökonomie wollen die Regierungen in Europa aber nicht, weil sie selber weiterhin russisches Gas importieren wollen. Einige Politiker:innen fordern nun eine Abkehr vom russischen Gas, stattdessen soll Fracking-Gas aus den USA, das in der Gewinnung allerdings noch schlimmere ökologische Auswirkungen hat, bezogen werden.
Nun sind die EU-Sanktionen gegen Russland zweifellos eine Waffe in der wirtschaftlichen Kriegsführung. Darum müssen die Klimabewegung und die Antikriegsbewegung diese Sanktionen kritisch sehen. Sie dienen nicht der Unterstützung des ukrainischen Widerstands und erst recht nicht einem sozialökologischen Umbau. Ganz im Gegenteil. Die Klimabewegung muss den Krieg zum Anlass nehmen, die fossile Ökonomie einerseits grundsätzlich und andererseits auch konkret in der gegenwärtigen Situation in Frage zu stellen.
Die europäischen Länder müssen sofort beginnen, die Importe russischen Öls schrittweise runterzufahren. Dabei darf das russische Gas nicht durch Gas von anderswo und erst recht nicht durch ökologisch ungleich schädlicheres Fracking-Gas aus den USA ersetzt werden. Genau das ist jetzt das Projekt der Regierungen. Dem muss sich die Klimabewegung im Bündnis mit einer neuen Antikriegsbewegung entschieden entgegenstellen.
Die Klimabewegung muss darüber nachdenken, wie sie das fossile Kapital, organisiert als Shell, ExxonMobil, BP, OMV, Gazprom oder Lukoil direkt anprangern und schwächen kann. Dabei sollten die russischen Konzerne nicht einseitig in den Blick genommen werden, weil allfällige Marktverluste bloß von Rivalen übernommen würden. In den Aktionsformen gegen einzelne Konzerne sollte sich die grundsätzliche Infragestellung der fossilen Ökonomie ausdrücken.
Doch gleichzeitig geht es auch darum, die russische Kriegsmaschine, die mit dem fossilen Kapital eng verknüpft ist, direkt zu schwächen. Darum sind Boykotte von russischem Gas und Öl richtig, solange sie nicht einfach den US- und europäischen Rivalen helfen, ihrerseits diese Märkte zu übernehmen. Das russische Rohstoffkapital platziert seine Rentenerträge auf den internationalen Finanzplätzen. Das fossile Finanzkapital und darunter auch das russische kann symbolisch beispielsweise mit Aktionen und Petitionen an den Pranger gestellt werden. In diesem Zusammenhang sind aber auch die Investmentfonds, Pensionskassen, Banken und Lebensversicherungen, die diesem Kapital als Anlageplätze und Verschiebebahnhöfe dienen, in den Blick zu nehmen. Das würde es erlauben, dem Widerstand sowohl gegen den russischen Angriffskrieg als auch gegen die fossile Ökonomie einen konkreten Ausdruck zu verleihen.
Das große Problem besteht allerdings darin, dass gegenwärtig weder die Klima-, noch die Antikriegsbewegung in der Lage ist, derartige Vorstellungen wirklich durchzusetzen. Hierzu ist eine breite gesellschaftliche Verankerung notwendig.
Wie können Antikriegs- und Klimabewegung zusammenkommen?
Die traditionelle Friedensbewegung in Deutschland ist diskreditiert. Jahrelang schwiegen ihre Exponent:innen – etliche von ihnen stammen aus einer stalinistischen Politiktradition – zum russischen Imperialismus, zu den Angriffskriegen in Tschetschenien, Georgien, der Annektierung der Krim, dem gesteuerten Krieg in der Ostukraine und den mörderischen Massenbombardierungen syrischer Städte. Sie gab den angeblich „berechtigten russischen Sicherheitsinteressen“ den Vorzug gegenüber dem Wohl der Menschen in diesen Regionen. Sie brandmarkte einseitig den offensiven Charakter der NATO, die tatsächlich offensiv ist, und verharmloste zugleich den spezifischen imperialistischen Charakter des russischen Staates und seiner auf die Extraktion von Bodenschätzen gestützten Rentenökonomie. Teile dieser „Friedensbewegung“ haben bis unmittelbar vor Beginn des bereits von Putin angekündigten Eroberungsfeldzugs einseitig die NATO für das aufziehende Desaster verantwortlich gemacht.[8] Teilweise wird aus diesem Spektrum jetzt der Ukraine das Recht auf Selbstverteidigung und damit auf eine eigene territoriale Existenz bestritten. Das läuft abermals auf eine Unterstützung der russischen Position heraus. Es ist Zeit, dass eine verbundene Antikriegs- und Klimabewegung dieses fragwürdige Erbe hinter sich lässt.
Wenn es gelänge, die junge Klimabewegung mit einer neuen Antikriegsbewegung, die nichts mehr mit dem Denken in geopolitischen Blöcken und der traditionellen Tolerierung des russischen Imperialismus zu tun hat, zu verbinden, könnte eine starke gesellschaftliche Kraft entstehen. Diese gemeinsame Bewegung könnte auf drei eng miteinander verknüpften strategischen Achsen zusammenfinden.
1. Solidarität mit dem zivilen und bewaffneten Widerstand der ukrainischen Bevölkerung gegen die russischen Invasions- und Besatzungstruppen und mit der russischen Antikriegsbewegung.
Die ukrainische Bevölkerung leistet berechtigterweise Widerstand gegen die Besatzung. Ihr Widerstand ist beeindruckend und viel stärker als wohl viele auf der Welt gedacht hatten. Wir müssen uns für das Recht der ukrainischen Bevölkerung auf Selbstbestimmung einsetzen. Selbstverständlich haben die Menschen in der Ukraine das Recht auf bewaffneten Widerstand und sie haben das Recht, sich diese Waffen zu beschaffen. Die widerständige Bevölkerung verdient unsere politische und materielle Unterstützung. Ganz unmittelbar dringend ist die Aufnahme von Flüchtlingen, auch von desertierenden Soldat:innen.[9]
Die Regierung Selenskyj wirft sich der NATO an die Brust. Linke und fortschrittliche Bewegungen sollten sich dieser Regierung nicht unterordnen, denn sie verfolgt eine Agenda gegen die Lohnabhängigen. Auch besteht die Gefahr, dass faschistische Kräfte in der Ukraine gerade durch den Angriff Russlands ihren Einfluss erweitern und ihre eigenen bewaffneten Einheiten stärken können. Wie der Widerstand gegen die russischen Invasions- und Besatzungstruppen organisiert wird, muss die ukrainische Bevölkerung entscheiden.
Sollten sich unabhängige Verbände aus Gewerkschaften und sozialen Bewegungen bilden, müssten diese unterstützt werden. Dieser Widerstand in der Ukraine und der Widerstand aus der russischen Bevölkerung können Putin eine Niederlage beibringen. Das muss das Ziel sein.
Die bombardierten Menschen in den ukrainischen Städten erleben eine mörderische Eskalation des Krieges und rufen nach Hilfe. Dennoch ist eine No-Fly-Zone abzulehnen, weil sie in eine direkte Konfrontation zwischen NATO und Russland münden würde. Auch die Lieferung von NATO-Flugzeugen an die Ukraine könnte die Eskalation internationalisieren. Umso wichtiger ist die internationale Mobilisierung gegen das Putin-Regime, vor allem in Russland selber.
Das russische Kapital, das der Ausbeutung der russischen Arbeiter:innen und der Plünderung der natürlichen Ressourcen entstammt, parkiert Milliarden von US-Dollars in den Finanzinstitutionen Europas, besonders in der Schweiz und auf den Offshore-Finanzplätzen der Welt. Diese Vermögensbestände sind zu konfiszieren. Nach dem Krieg sollen sie zur Finanzierung des Wiederaufbaus der ukrainischen Infrastruktur und nach dem Sturz des Putin-Regimes der russischen Bevölkerung zurückgegeben werden. Doch die Sache ist widersprüchlich. Da diese Sanktionen von anderen imperialistischen Staaten mit ihren eigenen Großmachtinteressen durchgeführt werden, können wir nicht das geringste Vertrauen darauf haben, dass diese im Sinne der Menschen durchgeführt werden.
Die Ukraine trägt eine Schuldenlast von rund 94 Milliarden US-Dollar (2020). Das Land hängt am Tropf des Internationalen Währungsfonds. Um dem Land Luft zum Wiederaufbau und einer vernünftigen Entwicklung zu geben, müssen die internationalen Gläubiger gezwungen werden, die Schulden zu erlassen.
2. Widerstand gegen jede Aufrüstung der europäischen Länder, der USA und der NATO:
Die NATO ist ein imperialistisches Militärbündnis. Wir müssen uns der Aufrüstung in den europäischen Ländern komplett widersetzen. Die gegenwärtigen Aufrüstungsprogramme haben nichts mit der Ukraine zu tun. Sie dienen vielmehr der Vorbereitung auf die sich verschärfende imperialistische Rivalität um knapper werdende, aber für die „grüne“ Energiewende dringend erforderliche, Rohstoffe. Es geht um den Kampf um künftige Einflusszonen und Märkte. Diese Aufrüstung wird der ukrainischen Bevölkerung weder gegenwärtig noch in Zukunft helfen. Diese Aufrüstungswelle wird schon bald mit ungeheuren Kürzungsmaßnahmen in anderen Bereichen, vor allem in der gesellschaftlichen Infrastruktur und im Sozialbereich, einhergehen. Die Rüstungsindustrie und die Armeen zählen zu den bedeutendsten Emittenten von CO2. Die US-amerikanische Rüstungsindustrie war 2017 für 15 Prozent der gesamten industriellen CO2-Emissionen in den USA verantwortlich.[10] Obgleich die Rüstungsindustrie in Europa einen geringeren Umfang hat als in den USA, sind die militärbezogenen CO2-Emissionen beträchtlich. Die nun in Deutschland und in anderen Ländern beschlossene massive Steigerung der Rüstungsausgaben wird die CO2-Emissionen abermals deutlich anheben. Dieser, die Erderhitzung schlicht ignorierenden, Politik muss energisch Widerstand geleistet werden.
3. Für einen raschen, schrittweisen Ausstieg aus der fossilen Ökonomie.
Der russische Angriffskrieg in der Ukraine beruht nicht zuletzt auf einer fossilgestützten Ökonomie Russlands. Der Krieg lässt die Erderhitzung und ihre Konsequenzen nicht nur in den Hintergrund schieben, sondern treibt die CO2-Emissionen zusätzlich an. Zugleich verdeutlicht der Krieg, wie dringend ein Ausstieg aus der gesamten fossilen Wirtschaft ist. Darum sind nicht nur die russischen, sondern alle Gas- und Ölkonzerne ins Zentrum von Aufklärungskampagnen zu stellen. Es gilt eine Debatte darüber zu entwickeln, wie diese Konzerne – und selbstverständlich der gesamte Rüstungssektor – gesellschaftlich kontrolliert und angeeignet werden können. Das ist eine zwingende Voraussetzung dafür, diese Produktionslinien schrittweise runterzufahren und umzubauen.
Wir müssen den Widerstand gegen die Ignoranz der Erderhitzung durch die Regierungen, gegen den imperialistischen Krieg Russlands (sowie gegen andere Kriege) und gegen die militaristische Hochrüstung miteinander verbinden. Die Alternative ist brutal einfach. Es geht es ums Ganze: Leben statt Kapital. Wenn wir uns für das Leben entscheiden, müssen wir uns dem Kapital und seinen Kriegen in Ost und West gegen die Menschen und gegen die Natur widersetzen.
Wir leben in einer verdichteten Zeit, die sich rasch und ruckartig verändert. Die Grundlagen bisheriger Strategien brechen weg. Die Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft werden größer und entladen sich zunehmend gewaltförmig und verengen den Spielraum für „Kompromisse“ immer mehr.[11] Für graduelle Reformen des kapitalistischen Systems gibt es keine Spielräume mehr. Diese Zeit ist abgelaufen, die sprunghaften Veränderungen des Erdsystems unterstreichen dies.
Die hier vorgestellte Skizze einer gemeinsamen Perspektive von Klima- und Antikriegsbewegung ist nur ein Anfang. Es gilt, weitergehende strategische Hypothesen aufzustellen. Wir müssen eine grenzüberschreitende Diskussion darüber eröffnen, wie transnationale revolutionäre ökosozialistische Strategien in globaler Verantwortung aussehen können.